- Dezember 2015, 19.30 Uhr, Willy Brandt Platz 5
Der Film „Dwaal Net Rond – The Forgotten“ zeichnet ein aktuelles Bild der Lebensumstände arbeitsloser Landarbeiter*innen in Namibia und zeigt einerseits auf, welcher Anspruch überhaupt auf Sozialleistungen nach namibischem Gesetz besteht und bezeugt andererseits, dass gerade aufgrund der prekären Situation, in der sich eine Vielzahl von Farmarbeiter*innen befinden, oftmals Wissen und Zugang fehlen, um die eigenen Rechte vor dem Gesetz geltend zu machen.
Im Film wird der/die Zuschauer*in mit dem alltäglichen Überlebenskampf von Immanuel Xuagub, einem mittellosen Landarbeiter in Namibia, und seiner Familie konfrontiert. Immanuel hat nach einem Arbeitsunfall seine Stelle verloren und somit auch jegliche finanzielle Absicherung. Seitdem versucht er, sich und seine Familie aus dem Strudel ausgrenzender Armut zu befreien, und macht sich auf den Weg, um ihm zustehende staatliche Hilfeleistungen zu beantragen.
Genau hier setzt der Film an. Wir begleiten Immanuel auf seinem Weg durch den Behördendschungel und statten ihn mit den nötigen Mitteln aus, um seine Ziele zu verfolgen. Sein Ansinnen ist ganz konkret: Wo stellt man einen Antrag auf Erwerbsunfähigkeitsrente? Wie bekomme ich Unterstützung, damit meine Kinder in der Schule bleiben und im Wohnheim wohnen können? An welche Stelle muss ich mich wenden, um Wohnraum für mich und meine Familie zu erhalten? Wie geht man vor?
Die Situationen sind allesamt alltäglich, die Fragestellung mitunter simpel und doch gleichsam komplex. Wir wollen mit unserem Protagonisten erfahren, wie man sich im Ernstfall und ohne Vorkenntnisse den Weg durch das städtische Ämterlabyrinth bahnt und zeigen Hürden und Möglichkeiten auf in der tagtäglichen Auseinandersetzung mit Autoritäten, Behörden und Verordnungen. Nur wer seine Rechte kennt, die Regeln im Umgang mit Ämtern und Gesetzen versteht und im wahrsten Sinne des Wortes ihre Sprache spricht, ist in der Lage, etwas zu verändern. Und so fragen wir an, laufen auf, scheitern, verlieren uns, gehen weiter, scheitern erneut, finden Aufklärung, finden Gehör und erzielen erste Erfolge.
Die Bildsprache ist eindrücklich. Oft quälend langsam bewegt sich das Auge des Betrachtenden. Ebenso schleppend mahlen die Mühlen der Behörden und weiten nur langsam die Perspektive für Immanuel, dass es eigentlich staatliche Wege aus seiner mittellosen Situation gibt – wenn auch nur schwer sichtbar und noch immer zu wenige.
Was diesen Film ausmacht, sind die Erfahrungen. Die Erfahrung für seine Rechte einstehen zu können und sich nicht abschrecken zu lassen. Und gleichzeitig die Erfahrung für all diejenigen in den Amtsstuben und Ministerien, durch unmittelbare Einsicht zu erleben wie es ist, als mittellose Person um sein Recht geradezu betteln zu müssen. Der Film macht Hoffnung und stiftet dazu an, die bestehenden staatlichen Möglichkeiten auszuschöpfen und nutzbar zu machen. Und so gelingt es Immanuel, sich Raum für seine Sorgen und Nöte zu schaffen, indem er nach seiner Stimme sucht, die bisher nur allzu oft überhört wurde.
Der Regisseur Thorsten Schütte ist ein deutscher Autor und Filmemacher mit Spezialisierung auf Dokumentarfilm. Seit 2004 beschäftigt sich Schütte intensiv mit sozial- und entwicklungspolitischen Herausforderungen vor allem in Namibia. Nach seinen Filmen Generation X und Land Matters, erschien im März 2015 nun sein neuer Film Dwaal Net Rond – The Forgotten.